Eine ganz besondere Doppelstunde im Fach „Politik und Gesellschaft“ erlebten die Zehntklässler des Johannes-Gutenberg-Gymnasiums Waldkirchen (JGG): MdB Thomas Erndl kam als Direktabgeordneter des Bundestagswahlkreises Deggendorf/Freyung-Grafenau an die Schule und stellte sich für eine Informations- und Diskussionsveranstaltung zur Verfügung.
Die Veranstaltung, die von den Zehntklässlern Laura Faltejsková, Anna Pongratz, Hannes Rauscher, Elisa Reidl und Adrian Vrbnjak vorarbeitet und auf lockere und interaktive Art moderiert wurde, spannte dabei einen weiten thematischen Bogen von den Tätigkeiten eines Abgeordneten im Allgemeinen bis hin zu aktuellen politischen Fragestellungen. Für die Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen wiederum, die sich im Unterricht derzeit mit dem politischen System der Bundesrepublik beschäftigen, ergaben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte. Das Veranstaltungsformat sah aber auch vor, sich durch Heben einer roten oder grünen Karte zu bestimmten Themen und Fragestellungen zu positionieren, wodurch sich teils sehr kontroverse Sichtweisen ergaben, die auch geäußert wurden.
Im ersten Teil der Veranstaltung ging es aber zunächst einmal um Werdegang und Arbeitsweise eines Abgeordneten an sich: Wie schafft man es, sich parteiintern so nach oben zu arbeiten, dass man in einem Wahlkreis nominiert wird? Wie sieht einer Sitzungswoche in Berlin aus? Wie viel Zeit bleibt für die Familie? Erndl stellte in seinen Statements dabei vor allem die Berliner Welt jenen Wochen gegenüber, die er in seinem Wahlkreis präsent ist. Eine Sitzungswoche in der Hauptstadt folge immer einer bestimmten Struktur, im Mittelpunkt seiner Tätigkeit dort stehe allen voran seine Arbeit als stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Vor Ort hingegen gehe es darum, die Themen aufzugreifen, die für die Region wichtig sind, und mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Veranstaltungen an Schulen seien dabei immer echte Highlights.
Der zweite Frageteil griff schließlich aktuelle Themen auf, allen vor freilich den Krieg in der Ukraine sowie das weite Feld rund um Klima, Energie und Heizen. Während das Abstimmungsbild im Schülerplenum bei der Frage nach den Waffenlieferungen an die Ukraine ein 50:50-Stimmungbild ergab, positionierte sich MdB Erndl ganz eindeutig: Er befürworte die Lieferung von Waffen, begründet in dem Wunsch nach einem schnellen Ende des Krieges und in der Überzeugung, dass sich eine Außenpolitik, die auf das Recht des Stärkeren baue, nicht durchsetzen dürfe. Erndl zog dabei eine Parallele, die vielen so gar nicht bewusst war: Deutschland, so sagte, wolle und könne ja auch nicht einfach über Österreich bestimmen, nur weil man der große Nachbar sei, die gleiche Sprache spreche und es historische Traditionen gebe.
Am Ende konnten die Schülerinnen und Schüler auf eine interessante Veranstaltung zurückblicken, wobei betont wurde: Demokratie lebt von der Meinungsvielfalt. Wenn ein Abgeordneter an die Schule zu Besuch kommt, so spiegeln dessen Positionen eine Sichtweise, die es dann zu hinterfragen und zu diskutieren gelte – ganz ähnlich wie in der Politik, wo ein finaler Konsens meist einen Kompromiss aus verschiedenen Positionen abbildt. –pnp
Während der Veranstaltung luden die Moderatoren zu einer „schnellen Runde“ nach dem Prinzip „Kurze Frage – Stimmung in der Schülerschaft – Kurzes Statement des Abgeordneten“ ein. Hier ein kleiner Auszug aus dieser Runde: War die Corona-Politik richtig? – Trotz vieler roter Karten in der Schülerschaft meinte Erndl: „In der akuten Pandemie-Situation ja – aber hinterher ist man immer schlauer.“ Sollte das Wahlalter auf 16 abgesenkt werden? – Während viele Schüler dies befürworten würden, winkte Erndl ab: Mit 18 trete die volle Geschäftsfähigkeit ein, und daran solle auch das Wahlrecht geknüpft werden. Politisches Engagement an sich sei davon ohnehin unberührt. Bei der Frage nach der Legalisierung von Cannabis waren sich Erndl und die Mehrheit der Schüler in ihrer ablehnenden Haltung einig: Der MdB sprach von einem „falschen Signal“. Ebenso bestand eine deutliche Übereinstimmung in der Frage nach der Abschaltung der Kernkraftwerke. Erndl betonte bei seiner Ablehnung aber auch, dass die grundsätzliche Frage nach dem Atomausstieg und die derzeitige Situation auf dem Energiesektor differenziert werden müssten. Ist der Bundestag mit seinen 736 Mitgliedern tatsächlich repräsentativ für die Bevölkerung? – Die Schüler waren skeptisch, Erndl antwortete mit einem „Ja, aber“ und verwies auf den Frauenanteil und das Ungleichgewicht mit Blick auf Altersstufen und Berufsgruppen, wenngleich: „Viele Stimmungen und Sichtweisen sind spürbar repräsentiert.“ |