Einen Ort des Grauens haben die Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Jahrgangsstufe des Johannes-Gutenberg-Gymnasiums Waldkirchen (JGG) erkundet: das ehemalige Konzentrationslager im oberösterreichischen Mauthausen, in dem zwischen 1938 und 1945 von den Nationalsozialisten mehr als 100.000 Menschen getötet oder zu Tode gequält wurden. Seit 1947 befindet sich auf dem einstigen KZ-Gelände eine Mahn- und Gedenkstätte.
Nachdem sich die Jugendlichen im Geschichts- und auch im Religionsunterricht eingehend mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinandergesetzt hatten, sollten der Besuch und der begleitete Rundgang im Konzentrationslager den Wahn der damaligen Machthaber auf besonders eindringliche Weise verdeutlichen, aber auch dem Gedenken an die Opfer des Holocaust dienen. Beim Betreten und Erkunden der weitläufigen Anlage kam bei den jungen Gymnasiasten ein beklemmendes Gefühl auf, das durch den lebhaften, unerwartet kalten Wind auf dieser Anhöhe über der Donau bestärkt wurde. Aufmerksam wurde den Schilderungen der JGG-Geschichtslehrkräfte Maria Wasmeier, Marcus Erlmeier, Martin Pauls-Spies und Christian Weishäupl sowie der Guides vor Ort gelauscht. Dabei wurden auch sehr spezielle Fragen reflektiert, etwa in welchem Maße die anwohnende Zivilbevölkerung von den Gräueltaten wusste bzw. inwiefern diese einfach gebilligt wurden.
Das KZ Mauthausen ging im August 1938 und somit kurz nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland in Betrieb. Der oberösterreichischen Bevölkerung wurde es als „besondere Auszeichnung für [die] Leistungen während der Kampfzeit“ und somit als ehrenvolle Belohnung angepriesen – ein Image, unter dem die 5000-Einwohner-Marktgemeinde bis heute leidet. Anders als die nach Kriegsbeginn im besetzten Osten und damit weit weg von der deutschen Bevölkerung errichteten Vernichtungslager wie Auschwitz oder Sobibor befand sich das KZ Mauthausen inmitten der Zivilisation.
Beim Rundgang durch die Anlage und den Schilderungen der Guides wurde klar: Von Seiten der SS gab es sogar Bemühungen, Berührungspunkte zwischen Ortsbevölkerung und Lager herzustellen. So sind beim Standesamt Mauthausen zahlreiche Eheschließungen zwischen SS-Männern und jungen Frauen aus dem Ort registriert, mehrere Ehen wurden direkt im Lager geschlossen. Zudem kamen regelmäßig die Mauthausener zu den beliebten Fußballspielen der SS-Auswahl auf den Sportplatz vor dem Lager – während im angrenzenden Steinbruch „Wiener Graben“ mit seiner berüchtigten „Todesstiege“ Menschen zu Tode gemartert wurden oder im Hintergrund die Schornsteine der Verbrennungsöfen rauchten.
Bestürzt waren die Schülerinnen und Schüler auch von Berichten über verübte Gräueltaten. So wurden am 31. März 1943 in Anwesenheit der NS-Größe Heinrich Himmler tausend holländische Juden die steile Felswand im Steinbruch hinuntergeschleudert, wo ihre Körper zerschellten, und dabei zynisch als Fallschirmspringer bezeichnet. „Das braune Volk amüsierte sich“, wie der Mauthausen-Überlebende Simon Wiesenthal später notierte. Erkundet wurde bei dem Rundgang auch der Tötungstrakt. In der als Baderaum getarnten Gaskammer wurden vorrangig Frauen und Kinder ermordet.
Erstaunt waren die JGG-ler beim Rundgang, dass relativ viele Besucher aus Spanien die Gedenkstätte erkundeten. Tatsächlich hatte das spanische Justizministerium kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie eine Liste der in Mauthausen ermordeten spanischen Gefangenen herausgegeben – republikanische Gegner des spanischen Faschisten Franco, die ihm der Gesinnungsfreund Hitler und dessen Schergen gerne abnahmen. Zudem kam beim Rundgang die Frage auf, was mit dem einstigen Lagerpersonal, das in die Tötungsmaschinerie eingebunden war, nach der Befreiung Mauthausens durch die Amerikaner geschehen war. Auch hier sorgte die Antwort für ungläubiges Kopfschütteln: Vor knapp einem Jahr verstarb ein ehemaliger KZ- Wachmann, der wohl mehr als ein Dutzend Gefangene erschossen hat, im begnadeten Alter von 95 Jahren, ohne dass gegen ihn jemals Anklage erhoben worden war.
Mit nachdenklicher Stimmung wurde schließlich die Heimfahrt nach Waldkirchen angetreten. Eine Schülerin meinte resümierend: „Im Schulbuch sieht man Bilder, im Unterricht vielleicht auch Filmausschnitte und man hört Darstellungen und Schilderungen – nichts aber hinterlässt solch einen Eindruck als der Besuch hier vor Ort.“