„Meet a Jew“ ist ein Angebot des Zentralrats der Juden in Deutschland, bei dem engagierte Mitglieder jüdischer Gemeinden zu einer ganz persönlichen Begegnung in Schulen oder sonstige Einrichtungen kommen, um bewusst miteinander ins Gespräch zu kommen und die vitale Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland aufzuzeigen, zumal meist über „die Juden“ und nur in sehr seltenen Fällen miteinander gesprochen wird.
Am Waldkirchner Johannes-Gutenberg-Gymnasium (JGG) wurde dieses Projekt im Rahmen des Geschichts- und Religionsunterrichts nun erstmals mit den 10. Klassen durchgeführt. Als Gast für die zwei Gesprächsrunden konnte Frau Elisabeth Gross aus Cham begrüßt werden – eine von etwa 225.000 Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland, von denen etwa die Hälfte in einer jüdischen Kultusgemeinde engagiert ist. Und am Ende der Gesprächsrunde war den Schülerinnen und Schülern bewusst: In ihrer Mitte saß eine bewundernswerte Frau, die sehr viel Energie aus ihrem gelebten Glauben schöpft, diesen ganz selbstverständlich vertritt und ihre Freude daran gerne im Gespräch mit jungen Menschen teilt.
Elisabeth Gross, ursprünglich aus Niedersachen und dann lange Zeit Baden-Württemberg lebend, bezeichnete sich als eher liberal eingestellt Jüdin, der jedoch jüdische Feste und Traditionen sehr am Herzen liegen. So sei ihr der Sabbat (gesprochen: „Schabbat“), der immer am Samstag begangen wird und bereits am Freitagabend beginnt, sehr wichtig: „Ich achte darauf, freitags pünktlich daheim zu sein, zünde dann meine Kerzen an und mache am Sabbat vor allem das, was mir Freude macht, etwa im Garten arbeiten oder Shoppen.“ Etwas orthodoxer eingestellte Juden hingegen würden am Sabbat Arbeiten jeder Art ruhen lassen, darunter auch Einkaufen. Die Synagoge in Straubing, für Gross mit einer etwa 40-minütigen Autofahrt verbunden, besuche sie meist anlässlich wichtiger jüdischer Festtage, wie etwa das kürzlich begangene Fest Purim, das an die Errettung des jüdischen Volkes aus drohender Gefahr in der persischen Diaspora erinnert und als Fest der Freude Ähnlichkeiten zum Karneval aufweist.
Im Gespräch wurden seitens der Zehntklässler auch Themen wie die wachsende Zahl antisemitischer Anfeindungen, Straftaten und Anschläge in Deutschland oder die mentale Verbindung des Judentums mit dem Holocaust angesprochen. Ihr sei es wichtig, so Gross, das Judentum – eine sehr von Freude und einem positiven Menschenbild geprägte Religion – nicht auf die Zeit des Nationalsozialismus zu reduzieren. Dass man sich aufgrund aktueller Entwicklungen, weshalb Synagogen auch Polizeischutz genießen, zu Gottesdiensten anmelden müsse, empfinde sie eher störend. Und auf die sehr direkte Frage einer Schülerin, ob sie schon einmal damit gehadert habe, Jüdin zu sein, meinte Gross: „Nein, denn dazu hatte ich wirklich auch noch nie einen Grund.“ Gerade während ihrer Zeit in Baden-Württemberg sei die jüdische Gemeinde in Stuttgart zugleich auch ihr engster Freundeskreis gewesen. Schade finde sie nur, dass Menschen jüdischen Glaubens, sofern sie die religiösen Festtage traditionell begehen wollen, immer extra Urlaub nehmen müssen – aber daran gewöhne man sich.
Eine interessante Begegnung am JGG: Im Rahmen des Projekts „Meet a Jew“ besuchte Elisabeth Gross aus Cham die Zehntklässer, um locker und unbefangen über das vitale jüdische Leben in Deutschland zu sprechen. Auf dem Bild zeigt Gross einen „Tallit“, einen jüdischen Gebetsmantel.