Was hat eigentlich ein Vertrag, der vor 60 Jahren in Frankreich im Elysée-Palast unterzeichnet wurde, mit dem Johannes-Gutenberg-Gymnasium Waldkirchen (JGG) zu tun? Auf den ersten Blick scheinbar wenig – aber die Bildungseinrichtung profitiert davon in vielerlei Hinsicht: Am 22. Januar 1963 wurde mit dem deutsch-französischen Freundschaftsvertrag die Erbfeindschaft zwischen den beiden europäischen Ländern endgültig beigelegt und eine enge Zusammenarbeit vereinbart. Eine Reihe von Institutionen gingen daraus hervor, darunter das deutsch-französische Jugendwerk als „schönstes Kind des Elysée-Vertrages“, wie es genannt wurde.
Bis heute hat es Millionen von Jugendlichen der beiden Länder durch die Förderung von Austauschmaßnahmen nähergebracht. Auch die 9. Klassen des JGG profitieren von der Unterstützung des DFJW, wenn sie in diesem Jahr nach dreijähriger Zwangspause endlich wieder zur Partnerschule in Le Mans aufbrechen können. Diese Fahrt wird genauso wie der Besuch der französischen Gruppe in Waldkirchen finanziell unterstützt.
Es gibt noch einen zweiten, sehr lebendigen Beweis der positiven Nachwirkungen des Staatsvertrages am JGG: Clarisse Delbos ist eine junge Frau aus Frankreich, die im Rahmen des deutsch-französischen Jugendwerkes ein Jahr Freiwilligendienst am Gymnasium leistet. Hierbei unterstützt sie nicht nur die Fachschaft Französisch am Vormittag im Unterricht, sondern ist auch nachmittags eine wichtige Säule in der Betreuung der Schüler in der offenen Ganztagsschule. Die Schule ist sehr froh über diese zusätzliche Unterstützung, deren Finanzierung das DFJW übernimmt.
Der dritte Vorteil, über den sich die Schüler in diesem Jahr endlich wieder freuen konnten, war das traditionelle Fest zum Jahrestag des Staatsvertrages. Crêpes mit Nutella wurden in der Aula vom P-Seminar Französisch der Q11 für die ganze Schule gezaubert und die 5. Klassen durften sich spielerisch mit unserem Nachbarland und dessen Sprache auseinandersetzen. In diesem feierlichen Rahmen konnten auch wieder die DELF-Zertifikate an besonders engagierte Schüler überreicht werden, eine Urkunde des französischen Kulturministeriums, die ihnen ihre hervorragenden Französisch-Kenntnisse bescheinigt. Mit diesem Zeugnis können sie eine Schlüsselkompetenz auf dem Arbeitsmarkt nachweisen, da Französisch nach wie vor eine der wichtigsten Sprachen in der EU und weltweit ist.
Oberstudiendirektor Dr. Andreas Schöps hatte anlässlich des runden Jahrestags die Schulgemeinschaft via Durchsage auf die Bedeutung des Elysée-Vertrages hingewiesen. Das, was beide Länder 1963 unter Federführung von Bundeskanzler Adenauer und Staatspräsident de Gaulle nach 150-jähriger „Erbfeindschaft“ hinbekommen hätten, könne auch heute als Musterbeispiel dafür dienen, dass Frieden und Kooperation immer gelinge, sofern der Wille dazu vorhanden sei. Der Dank des Schulleiters galt den Französisch-Lehrkräften am JGG Heike Schneider, Maria Wasmeier, Ulrike Gell, Johanna Meyer und Susanne Mimmi sowie dem P-Seminar der Q11 und zahlreichen Französisch-Schülern aus verschiedenen Jahrgangsstufen für das tolle Programm in der Aula, die sich einen Vormittag lang als „kleines Frankreich“ präsentierte, welche während der Unterrichtszeit, aber auch in den Pausen und Zwischenstunden zahlreiche Besucher anlockte.
Clarisse Delbos verbringt das aktuelle Schuljahr als französische Freiwillige am JGG. Sie kommt aus einem kleinen Dorf im Nordosten Frankreichs und hat im Sommer 2022 ihr Abitur abgelegt. Da sie sich für Fremdsprachen und die Kultur anderer Länder interessiert, empfindet sie den Freiwilligendienst als Bereicherung, möchte gleichzeitig aber auch Frankreich und die französische Kultur den Schülern im Bayerischen Wald näherbringen. Sie selbst hatte in ihrer Schulzeit eine deutsche Freiwillige an ihrem Collège und lebt somit die Idee des grenzüberschreitenden Austauschs von Jugendlichen hier in Waldkirchen weiter. |