Den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 11 des JGG, die sich im Rahmen ihres wissenschaftspropädeutischen Seminars im Fach Biologie mit dem „Ökosystem Wald“ auseinander setzen, bot Dipl.-Forstwirt (Univ.) Uwe Vos einen überaus spannenden und wissenschaftlich fundierten Einblick in aktuelle Konzepte modernen Waldmanagements. „Intelligenter Waldbau wird ökologischen wie ökonomischen Ansprüchen gerecht, er sichert Artenvielfalt und forstwirtschaftlichen Erfolg gleichermaßen“, so das Fazit des Regierungssachverständigen, der in Waldkirchen-Sickling seit Jahrzehnten sein eigenes Forstbüro führt.
Zwischen Forstwirtschaft und Naturschutz kommt es trotz vieler Übereinstimmungen nicht selten zu Konflikten, weil der Forstwirtschaft ökologische Handlungsweisen nicht zugetraut werden. Dabei sind die teils kontroversen Meinungen und Forderungen auf beiden Seiten keineswegs einheitlich, sie reichen von vorurteilsfrei-pragmatischen Argumenten bis hin zu ideologisch-fundamentalistischen Anschauungen. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts zwang eine industriell verursachte Holzknappheit die Waldbesitzer zur Erstellung von Bewirtschaftungsplänen. Dabei stand zunächst die nachhaltige Holznutzung im Mittelpunkt. Eine Übernutzung der Wälder sollte verhindert und gleichzeitig eine ausreichende Holzversorgung für die nachfolgend wirtschaftenden Generationen sichergestellt werden. „Bäume, die damals gepflanzt wurden, sind heute 160 bis 180 Jahre alt – ihre Bewirtschaftung ist ein Generationenvertrag, der weit in die Zukunft weist“, so der Forstexperte Uwe Vos am Gymnasium.
Vieles hat sich in der langen Zeit verändert. Mit Blick auf die komplexen Waldökosysteme haben die Forstleute derzeit nicht nur die zahlreichen unterschiedlichen standörtlichen Voraussetzungen (Region, Boden, Klima), sondern auch die Forderungen der Gesellschaft an den Wald – wie Boden-, Wasser-, Lärm-, Klima- und Immissionsschutz, Erholungswert und Verkehrssicherheit – zu berücksichtigen.
Vereinfacht werden ökologisch wertvolle Wälder oft als diejenigen beschrieben, die nicht bewirtschaftet werden. Dies kann jedoch außerhalb von professionell überwachten Waldflächen und Nationalparks schwerwiegende Folgen für die heimische Tier- und Pflanzenwelt haben, wenn sich gebietsfremde invasive Tier- und Pflanzenarten ungehindert ausbreiten können. Aus ökologischer Sicht ist gegen eine moderne, an die jeweilige Ausgangssituation angepasste Waldbewirtschaftung nichts einzuwenden. Baumartenreiche Mischbestände, die stufig, ungleichaltrig und standortgemäß sind, erhöhen nicht nur die ökologische Vielfalt, sondern auch die wirtschaftliche und waldbauliche Handlungsfreiheit, u.a. durch die Möglichkeit, verschiedene Modehölzer im Angebot zu haben.
Je nach Situation finden Verjüngung, Pflege und Ernte nebeneinander statt. Das Vorhandensein einer Strauch- und Krautschicht ist positiv, so der Experte. Artenreiche, zum Wald hin aufwachsende Ränder aus Kräutern, Sträuchern und Bäumen sowie kleine Feuchtbiotope sind ökologisch wertvoll und verbessern zudem die Lebensgrundlagen des Wildes, so dass etwa Rehe auch in der vegetationsarmen Zeit ausreichend natürliche Äsung finden. „Ökonomisch und ökologisch sinnvoller Waldbau ist ohne Pflegemaßnahmen nicht denkbar“, schilderte der Experte. Die Pflege solle die aufstockenden Qualitäten und die Stabilität im gesamten Waldbestand durch Förderung des Strukturreichtums verbessern. Die Intensität richte sich nach Wuchsdynamik und Lichtbedürfnis der einzelnen Baumarten. So hätten z.B. Eiche und Esche ein hohes Lichtbedürfnis, Buche und Tanne hingegen würden mehr Schatten vertragen.
Uwe Vos erklärte natürlich seinen interessierten Zuhörern, wie ökologisch und ökonomisch nachhaltiger Waldbau aussieht: Die Verjüngung der Wälder erfolgt wo immer möglich unter dem Schirm des Altholzes, wobei auch hier besonderer Wert auf standortgemäße Baumartenmischungen und Stufigkeit zu legen ist. Bisher fehlende, aber gewünschte standortgemäße Mischbaumarten werden rechtzeitig gepflanzt. Dem Lichtbedürfnis der Verjüngung entsprechend wird über den aufkommenden Jungpflanzen nachgelichtet. Bäume, die in der Qualität entsprechen und ihre Hiebsreife noch nicht erreicht haben, sollen ausreifen. Bei ihrer Verwendung als Bau- oder Möbelholz bleibt das zu Lebzeiten des Baumes aufgenommene CO2 gebunden und wird nicht wie im Falle von Brennholz wieder in die Atmosphäre freigesetzt.
Bizarre Exemplare, Totholz- und Höhlenbäume sollen verbleiben, wenn dies nicht wie einst im Falle der Bergulme mit der Gefahr einer Ausbreitung von aggressiven Baumschädlingen verbunden ist. Sie bieten zahlreichen Vogel-, Insekten- und Pilzarten Behausung und Lebensraum. Viele Maßnahmen zur Förderung der ökologischen Vielfalt im Wald werden auch finanziell gefördert. Zuständig hierfür ist für den Bereich Freyung-Grafenau das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Regen oder Waldkirchen. Mit fortschreitendem Klimawandel werden zudem fremdländische Baumarten, wie Douglasie, Riesen-Lebensbaum, Esskastanie und Schwarznuss interessant. Ihre Anpflanzung ist derzeit jedoch nicht überall gestattet.
Nicht nur die Schüler des W-Seminars Biologie, sondern auch Studiendirektor Dr. Andreas Kämmerer, dessen Einladung Dipl.-Forstwirt (Univ.) Uwe Vos gefolgt war, zeigte sich begeistert von der didaktisch gekonnten, praxisbezogenen und mit ansprechenden Powerpoint-Folien veranschaulichten Darbietung der wissenschaftlichen Thematik. Im Namen aller Seminarteilnehmer bedankte sich Bastian Breit beim Referenten mit einer Flasche vergorenen Fruchtsaftes aus der Region Apulien.

Die Schüler des Biologie-Seminars der Q11 mit dem Referenten, Dipl.-Forstwirt (Univ.) Uwe Vos (li.).